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Sommerackerbohnen: Ein züchterischer Überblick

Nach einer deutlichen Anbauausweitung von Körnerleguminosen in den 1980er Jahren wurde die Züchtungsintensität bei Ackerbohnen deutlich intensiviert. Es wurden sowohl grundlegende Forschungen zum idealen Sortentyp als auch zum Pflanzentyp in die Wege geleitet: die Basis für die Leistungsfähigkeit heutiger Sorten.

Tanninhaltige Sorten haben einen charakteristischen schwarzen Melanin-Fleck an der Blüte
Tanninhaltige Sorten haben einen charakteristischen schwarzen Melanin-Fleck an der Blüte

Die Ergebnisse aus beiden Untersuchungsschwerpunkten haben die spätere Züchtung maßgeblich beeinflusst. Die in heutigen Sorten verankerten Fortschritte wären ohne diese intensivierte Forschungsperiode nicht möglich gewesen.

Verbesserung der Standfestigkeit
Ein wichtiges Ziel war, die Agronomie des vorherrschenden Pflanzentyps mit langem Stroh, stetigem Wachstum und relativ weichem Stroh zu verbessern. Dazu wurden verschiedene Mutanten wie die endständigen Topless-Formen oder die sehr kompakt wachsenden Stabil-Formen evaluiert und eingekreuzt. Außerdem wurden zur Veränderung des Wuchstyps sogenannte Halbzwergformen aus dem Bereich der Gemüseform der Ackerbohnen (Synonym: Dicke Bohnen, Saubohnen) eingekreuzt.
Ab Anfang der 1990er Jahre setzte eine deutliche Reduktion der Anbauflächen ein. Als Folge wurden vielerorts die begonnenen züchterischen Bemühungen sukzessive wieder eingestellt und bestehende Aktivitäten konzentriert.

Im Zuge dessen wurde die Bearbeitung von Topless- und Stabil-Formen „auf Eis“ gelegt.

Die Einkreuzung von Halbzwergform stellte sich als die effizienteste Methode heraus, sowohl den Pflanzentyp in die gewünschte Richtung zu entwickeln, als auch den Harvest- Index und damit die Ertragsleistung anzuheben.

Entwicklung von synthetischen Sorten
Die vorherrschenden Sortentypen der alten Sorten waren genetisch eingeengte Populationssorten. Die Ackerbohne ist ein partieller Fremdbefruchter, eine Selbstbestäubung ist allerdings ohne größere Probleme möglich. Deshalb wurde versucht, die Leistung durch eine Änderung des Sortentyps sowohl in Richtung leistungsfähiger Inzuchtlinien als auch in Richtung Synthetischen Sorten zu verbessern. In Synthetischen Sorten entstehen durch die partielle Fremdbefruchtung zu einem gewissen Teil Hybriden. Die in diesen Hybriden auftretende Heterosis trägt zur Mehrleistung der Sorte bei.

Die Entwicklung von Synthetischen Sorten hat sich bis heute als der effizienteste Weg zur Leistungsverbesserung und Stabilisierung der Erträge erwiesen.

Tanninfreie Sorten für die Fütterung von Monogastriern
Eine weitere, an die Züchtung immer wieder herangetragene Fragestellung war die Verbesserung der Qualität des Ernteproduktes. Die Ackerbohnen in Mitteleuropa werden vorwiegend in der Tierfütterung eingesetzt. Daher war eine der Forderungen an die Züchtung, den Tanningehalt zu senken, um größere Mengen für die Fütterung von Monogastrieren einschließlich Geflügel einsetzen zu können. Diese Eigenschaft wurde erfolgreich eingekreuzt. So erkennt man tanninarme Sorten an ihrer rein weißen Blüte. Nachdem solche Sorten mit guter Leistungsfähigkeit verfügbar waren, erfolgte allerdings keinerlei positive Marktreaktion. Aus diesem Grund ist die Weiterführung dieses Zuchtziels heute wieder klar in den Hintergrund getreten.

Tabelle 1
Tabelle 1
Züchtung schafft deutliche agronomische Verbesserungen
Um die Entwicklung im Sortenspektrum in Deutschland zu demonstrieren, sind Auszüge aus den Beschreibenden Sortenlisten des Bundessortenamtes aus 1985, 2006 und 2013 vergleichend dargestellt (s. Tab. 1).

Folgende Trends sind aus nachstehender Zusammenstellung ablesbar:

  • Die Ertragsleistung ist über die Jahre deutlich gestiegen.
  • Die Standfestigkeit und damit die Beerntbarkeit wurde verbessert.
  • Im Vergleich zu 2013 gab es 2006 noch eine Reihe von tanninfreien Sorten, diese liegen in ihrer Ertragsleistung 5–10 % unter den besten tanninhaltigen Sorten.
  • 2013 hat generell die Gesamtzahl der Sorten abgenommen.
  • Im Zeitraum von 2006 bis 2013 wurden nur wenige neue Sorten in die Sortenliste eingetragen – dies ist der Effekt einer deutlich reduzierten Zuchtaktivität.

Es sei hier ergänzend erwähnt, dass die leistungsfähigsten Sorten aus 2013 jeweils Synthetische Sorten sind – auch in diesem Fall sind die grundlegenden experimentellen Daten und Berechnungen aus den 1980er Jahren in der züchterischen Praxis umgesetzt worden.

Die Ackerbohne ist zu einer stabilen Mähdruschfrucht geworden.
Die Ackerbohne ist zu einer stabilen Mähdruschfrucht geworden.
Versuche belegen deutlichen Ertragsfortschritt
In einer internen Versuchsserie wurde die Ertragsleistung von älteren Sorten, die nach ihrer jeweiligen Zulassung eine relativ hohe Anbauverbreitung erlangt haben, mit der von aktuellen Sorten verglichen. Dazu wurde das Saatgut der älteren Sorten neu produziert, um die volle Triebkraft und Keimfähigkeit zu gewährleisten. Im Jahr danach (2012) wurden alle Sorten an drei Standorten mit drei Wiederholungen angebaut und verglichen.
Die Ergebnisse in Tabelle 2 zeigen einen deutlich verbesserten Zuchtfortschritt im Kornertrag, insbesondere der Abstand zu der alten Generation (Sorte Kristall) ist erheblich.
Die dargestellten Erträge stehen im Widerspruch zu den in Deutschland dokumentierten Durchschnittserträgen für Ackerbohnen. Diese berechneten Erträge lassen im Vergleich zu anderen Kulturarten nur einen relativ geringen Zuchtfortschritt erkennen.

Tabelle 2
Tabelle 2
Dieser scheinbare Widerspruch hat im Wesentlichen zwei Gründe:

  1. Die Hälfte der Ackerbohnen werden von ökologisch wirtschaftenden Betrieben angebaut. Diese haben per se einen geringeren Ertrag.
  2. Die Stichproben für diese Erhebung sind generell zu hinterfragen. Nach unseren Erfahrungen sind motivierte Landwirte auf geeigneten Flächen mit aktueller Produktionstechnik in der Lage, erheblich höhere Erträge zu realisieren, als sie im nationalen Schnitt erfasst werden.

Vicin-/Convicin-Armut als neue Qualität für Geflügel und Fische
Eine weitere Innovation bedeutet die Zulassung von Sorten, die einen erheblich reduzierten Gehalt an Vicin/ Convicin besitzen. Diese antinutritive Inhaltsstoffgruppe hat vor allem eine Bedeutung für die Geflügel- und Fischfütterung. Hier stehen neue Sorten in der Zulassung, die auf dem Ertragsniveau der besten zugelassenen Sorten liegen. Darin spiegelt sich ein weiterer Zuchtfortschritt wider: Hier wird eine neue Sorten-Qualität mit Top-Erträgen kombiniert.

Ausblick
Im Rückblick zeigt sich, dass eine fokussierte Forschung mit einem vernünftigen Umfang effizient zur praktischen Sortenentwicklung beitragen kann. Die Umsetzung der Ergebnisse benötigt jedoch Zeit (besonders bei einer Kulturart mit geringer Vermehrungsrate wie der Ackerbohne), kann dann aber sehr nachhaltig sein. Die dargelegten Ergebnisse belegen anerkennungswürdige Erfolge. Im positiven Sinn wird sich die Situation nur dann verändern, wenn die aktuellen politischen Rahmenbedingungen zu einem deutlich ansteigenden Anbauumfang beitragen werden.

Dr. Olaf Sass
Norddeutsche Pflanzenzucht Hans-Georg Lembke KG

Stand: 29.01.2015