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Die Winterackerbohne – züchterisch noch am Anfang

Die Winterackerbohne ist in Europa eine fast unbekannte Kultur. Anbauschwerpunkt sind zurzeit England (30–50 Tsd. ha) und ein kleiner Teil in Nordwestfrankreich (10 Tsd. ha). Doch auch in Deutschland kann die Winterackerbohne sehr interessant werden!

Besonders in England nutzen die Landwirte die Vorteile einer sicheren Herbstbestellung auf sehr schwierigen tonigen Böden.

Winterackerbohnen überstehen Fröste bis -15 °C.
Winterackerbohnen überstehen Fröste bis -15 °C.

Züchtungsaktivitäten
Seit über 10 Jahren bearbeitet die Norddeutsche Pflanzenzucht Hans-Georg Lembke KG (NPZ) ein kleines Zuchtprogramm für Winterackerbohnen in enger Kooperation mit der Züchtungsforschung an der Universität Göttingen. Hauptschwerpunkt ist es, aus den vorhandenen Sorten und Landrassen neue Sorten mit höherer Winterhärte und verbesserten agronomischen Eigenschaften zu selektieren. Der Genpool der Winterackerbohne ist sehr klein, sodass hier viel Basisarbeit zu erfolgen hat, um die nötige Variabilität zu erzeugen.
Es gibt gewisse Zuchtarbeiten in England und Frankreich, wobei die Winterhärte der englischen Sorten für den Anbau auf dem Kontinent nicht ausreichend ist.

Das Zuchtprogramm konnte bereits die ersten Erfolge verzeichnen: Jeweils eine Sorte für den französischen Markt und für den englischen Markt erreichte eine Zulassung. Weitere Stämme sind in England in den Wertprüfungen. Für den Anbau in Deutschland ist jedoch nach wie vor die Sorte Hiverna zu empfehlen. Sie ist hier seit 1989 als Sorte eingetragen und besitzt die beste Winterhärte. Neue Stämme für die Anmeldung in Deutschland sind in Vorbereitung, die in der Winterhärte und Agronomie Verbesserungen erwarten lassen.

Winterackerbohnen bilden bis zu vier gleichwertige Seitentriebe.
Winterackerbohnen bilden bis zu vier gleichwertige Seitentriebe.
Winterhärte
Der Aussaatzeitpunkt sollte so gewählt werden, dass nach der Saat noch mindestens vier bis sechs Wochen Vegetationszeit verbleibt. Gewöhnlich werden die Winterackerbohnen zwischen Ende September und Mitte/Ende Oktober gedrillt. Eine tiefe Saatgutablage von 8–10 cm schützt das Saatkorn und die Wurzel vor Herbizidverlagerungen und stärkeren Frosteinwirkungen. Die Pflanzen sollten eine Vorwinterentwicklung von höchstens 5–8 cm erreichen. Nach einer Abhärtungsphase können die Pflanzen Fröste bis maximal -15 °C überstehen. Unter Schnee erfolgt eine sichere Überwinterung. Da Winterackerbohnen nach dem Winter bis zu vier gleichwertige Triebe ausbilden, sollte die Aussaatstärke 20 keimf. Körner/m² nicht überschreiten. In der Tabelle 1 sind die Beobachtungen der letzten 15 Jahre aus dem Zuchtgarten in Hohenlieth zusammengetragen.
In den 12 auswertbaren Jahren konnten die Winterackerbohnenstämme und -sorten aus England, Frankreich und Deutschland unter sehr unterschiedlichen Wintern getestet werden. Anhand der Spannweite der Boniturergebnisse wird deutlich, wie stark das geprüfte Sortiment im Merkmal Winterhärte variiert. Besonders schwach schneiden die englischen Sorten in der Winterhärte ab.

Tab. 1: Vergleich zwischen Winter- und Sommerackerbohne
Tab. 1: Vergleich zwischen Winter- und Sommerackerbohne
Im 12-jährigen Vergleich kam es in drei Jahren aufgrund von sehr strengen Wintern zu hohen Pflanzenverlusten und damit verbunden zu Ertragsausfällen. Winterackerbohnen reagieren wie andere Winterkulturen sehr empfindlich auf die Wechselfröste im Frühjahr. Durch eine Schneeauflage wird die Überwinterung erheblich verbessert.
Während aus Großbritannien in der Regel keine Auswinterungen bekannt sind, muss in kontinentaleren Gebieten je nach Winterverlauf mit Pflanzenverlusten gerechnet werden. Die Verbesserung der Winterhärte steht für die Züchter deshalb an erster Stelle.

Bestandesführung
Nach der Saat sollte viel Wert auf das Herbizidregime gelegt werden. Aufgrund sehr eingeschränkter Möglichkeiten im Frühjahr ist die Vorauflauf-Herbizidbehandlung die wichtigste Maßnahme. Die Pflanzenschutzmittel, die regulär in der Sommerackerbohne zugelassen sind, sind auch in der Winterackerbohne einsetzbar. Darüber hinaus ist die Anwendung von Cohort® (400 g/l Propyzamid) gegen Vogelmiere und Gräser wie Ackerfuchsschwanz in Winterackerbohne zugelassen. Im Frühjahr ist die Anwendung von Basagran®, dem einzigen zugelassenen Nachauflaufherbizid gegen Dikotyle, nicht vor den 15. April erlaubt. Die Winterackerbohne ist zu diesem Zeitpunkt schon weit entwickelt, sodass eine Anwendung zu Pflanzenschäden führen kann. Allerdings haben gleichmäßige Bestände auch eine hohe Konkurrenz gegenüber Unkräutern. Damit sommerannuelle Unkräuter zu keinem Problem werden, kann ein Striegelstrich von Vorteil sein.

Winterackerbohnen sind im Vergleich zu Sommerackerbohnen anfälliger gegenüber der Schokoladenfleckenkranheit (Botrytis fabae) und Brennfleckenkrankeit (Ascochyta fabae), da sie sich über die Wintermonate infizieren können. Eine frühe Behandlung mit Fungiziden im Frühjahr schützt den Neuaufwuchs. Da die Brennfleckenkrankheit auch den Samen infiziert, ist die Verwendung von zertifiziertem Saatgut die wichtigste Maßnahme, der Krankheit zu begegnen. Aufgrund ihres Entwicklungsvorsprungs werden Winterackerbohnen weniger von der Schwarzen Bohnenlaus befallen als Sommerackerbohnen.

Produktionstechnik Winterackerbohne
Produktionstechnik Winterackerbohne
Perspektiven
Die Winterackerbohnen haben das Potenzial, höhere Erträge als die Sommerform zu bilden, wie in der Tabelle 1 zu erkennen ist. Vor dem Hintergrund des Klimawandels und der vermehrt auftretenden Frühsommertrockenheit können die Winterackerbohnen ihren Entwicklungsvorsprung im Vergleich zur Sommerackerbohne nutzen und ertragsstabiler reagieren.

Der Ertragsvorsprung der Winterackerbohnen ist jedoch nicht grundsätzlich feststellbar. Die Sommerackerbohnen haben sich dank kontinuierlicher züchterischer Bearbeitung zu einer standfesten Mähdruschfrucht mit steigenden Erträgen entwickelt.

Aufgrund fehlender Zuchtarbeit und hoher Anforderungen an eine Winterform ist bisher bei den Winterackerbohnen in den letzten Jahrzehnten nur in der englischen Sortenliste eine gewisse Entwicklung feststellbar. Eine intensive Züchtung ist nötig, um diese Kulturart auch für den Kontinent nachhaltig anbaufähig zu machen.

Erfreulich ist das gestiegene Interessen der Landesdienststellen zur Prüfung der Winterleguminosen in ihren Landessortenversuchen. Des Weiteren werden in wissenschaftlichen Projekten und in der Beratung die Eignung der Winterackerbohne als Winterzwischenfrucht oder Gemenge-Partner zur GPS oder Körnernutzung überprüft.

Silke van het Loo, Dr. Olaf Sass
Norddeutsche Pflanzenzucht Hans-Georg Lembke KG

Stand: 29.01.2015